Die Feinde der Götter und Menschen
Das sind die Hrimthursen, also die Trolle und
Riesen (Jøten). Sie wohnen in Utgard und Jøtunheim, in der Einöde und im
rauhen Gebirge. Sie sind die Chaoskräfte, häufig große und starke Kerle. Der
einzige unter den Asen, der ihnen wirklich gewachsen ist, ist der Donnergott
Thor. Die Riesen sind aber wie niemand sonst der Zauberkunst mächtig. Die
Jøtenfrauen reiten auf Wölfen, deren Zaumzeug aus Kreuzottern besteht. Sie
können häßlich wie die Nacht und echte Monstren, aber auch unglaublich schön
sein, und so herrlich, daß selbst Odin sich mehr als einmal zur Brautwerbung
und wilden Liebesabenteuern hat verlocken lassen.
Loki ist der
Unruhestifter und Intrigant unter den Asen. Ursprünglich ein Riese, hat er
jedoch in jungen Jahren sein Blut mit dem Odins vermischt und wurde deshalb
in den Kreis der Götter aufgenommen. Loki ist ein Spaßvogel, der jedoch die
Asen verrät und die Ursache für Balders Tot ist. Dafür wird er bestraft, in
dem er gefesselt wird und eine Schlange über ihm giftigen und ätzenden Eiter
auf sein Gesicht träufelt. Seine Frau Sigyn aber ist treu. Geduldig
steht sie neben ihm und hält eine große Schüssel, die den Eiter auffangen
soll. Ab und zu aber muß sie sich entfernen, um die Schüssel auszuleeren.
Dann tropft der Eiter direkt auf Lokis Gesicht, und er schüttelt den Kopf so
stark, daß die ganze Erde bebt.
Loki hat Kinder in Asgard. Außer denen
hat er aber noch andere und seltsamere Sprößlinge. Mit der Riesin Angrboda
ist er der Vater des Fenriswolfs, der Midgardschlange Jørmundgand
und der Hel, der Göttin des Totenreichs. Und mit dem Hengst Svadifare
wurde er Mutter (!) des Pferdes Sleipnir, und das kam so: Die Götter
brauchten eine schützende Mauer um Asgard, falls es den Jøten gelingen
sollte, in die Welt der Menschen einzudringen. Doch nur ein Jøte seinerseits
war im Stande, eine solche Mauer zu bauen. Der Riese, welcher sich auf Lokis
Vermittlung erbot, die Mauer innerhalb eines Jahres zu bauen, verlangte
Sonne, Mond und Freyja als seinen Lohn. Die Asen glaubten, dies versprechen
zu können, da man unmöglich eine solche Mauer so schnell bauen konnte, und
der falsche Loki riet ihnen, auf die Bedingungen einzugehen. Doch der
Mauerbau ging viel schneller vor sich, als man erwartet hatte, weil das
starke Pferd Svadifare, welches der Riese besaß, des Nachts Steine heranzog,
die so groß wie Berge waren. Als es nur noch drei Tage waren, bis das Jahr
um war, war der Riese fast fertig mit der Mauer - es fehlte nur noch ein
kleiner Spalt. Nun saßen die Asen fürchterlich in der Klemme, denn sie
konnten um keinen Preis Mond, Sonne und Freyja herausgeben. Sie drohten Loki
mit dem Tod, wenn er nicht einen Ausweg ersänne. Loki verwandelte sich in
eine Stute, die wiehernd aus dem Wald kam, als Svadifare gerade dabei war,
Steine zu ziehen. Letzterer riß sich los und lief schnurstraks hinter der
Stute in den Wald hinein, und der betrogene Baumeister hinterher. In dieser
Nacht wurden keine Steine herangezogen und so die Arbeit unterbrochen. Der
Baumeister wurde zornig, doch Thor erschlug ihn mit seinem Hammer, und die
Stute - oder Loki - gebar Sleipnir, das schnellste Pferd der Welt, welches
grau war und 8 Beine hatte..
Der Fenriswolf ist der größte
und grausamste unter allen Wölfen. Er wuchs in Asgard auf, wurde aber
bald so riesengroß, wild und wahnsinnig, daß nur der Gott Tyr es wagte, ihm
Futter zu geben. Den Asen beauftragten die Zwerge, in Maßarbeit eine Fessel
herzustellen, bei der sechs Bestandteile Verwendung finden sollten: der
Schall des Katzentritts, der Bart der Frauen, die Wurzeln der Berge, der
Atem der Fische und der Speichel der Vögel (deshalb gehen die Katzen
lautlos, die Frauen haben keinen Bart mehr usw...).
Mit dieser List
gelang es, den Fenriswolf so fest zu fesseln, daß er sich kaum rühren
konnte, und ihm ein Schwert in den Rachen zu klemmen, so daß er nur
bewegungslos und mit weitgeöffnetem Rachen dasteht, ohne zubeißen zu können.
Am Ende der Welt jedoch wird er sich endlich losreißen können, um gegen die
Asen ins Feld zu ziehen.
Das zweite Kind, das Loki mit der Riesenfrau
Angrboda bekam, war eine Schlange. Die Asen warfen sie ins Meer, wo sie mit
der Zeit so unbeschreiblich groß wurde, daß man sie von da an
Midgardschlange nannte, denn sie umgibt die ganze Menschenwelt und beißt
sich selbst in den Schwanz. Auch sie wird am Ende der Welt gegen die Asen
kämpfen.
Dennoch fragt es sich, ob nicht das letzte der drei Kinder
Lokis und Angrbodas den Asen und Menschen den größten Kummer bereitet hat.
Es handelt sich um ein unheimliches Mädchen, halb von normaler Hautfarbe,
halb blauschwarz. Sie wurde aus Asgard verwiesen und schuf hoch im Norden
ein unterirdisches Totenreich, eine graue und feuchte Welt. Das Mädchen
heißt Hel, und Hel heißt auch ihr Totenreich. Hierher kommen alle,
die an Krankheit oder Altersschwäche sterben, und hier "leben" sie ein
verborgenes Schattendasein. Die Totengöttin selber erinnert an einen
Kadaver. Die dunklen und tiefen Täler um ihr Reich nennt man Helvegir, und
um dorthin zu kommen, muß man über den Fluß Gjøll (der rauschende,
stürzende). Über den Gjøll führt die goldene Brücke Gjallarbru,
die der einzige Zugang zur Hel ist. Sie wird von dem Höllenhund Garm
bewacht, der jedes Wesen, komme es aus dem Totenreich oder aus der Welt der
Lebenden, zerreißt. (Wenn man in alten Zeiten meinte, "Wiedergänger"
gingen um, so hieß es häufig: "Die Pforte zur Hel steht offen.").
Mitten in Niflheim steht der Brunnen Hvergelmir, wo der Lindwurm
Nidhøgger liegt. Die Ufer des Brunnens nennt man Nåstrond (Leichenstrand).
Dies ist der unheimlichste Ort in Niflheim. Hier nagt Nidhøgger an der
Wurzel der Yggdrasil und fügt ihr beständig Schaden zu. Doch fast so
schnell, wie er sie zerstört, heilt sie wieder zu. (Doch nur fast so
schnell, und irgendwann wird er sie durchnagt haben, und dann ist Ragnarøk
nicht fern). Am Ende der Welt werden Hel und ihr Heer von Toten gegen
die Asen kämpfen.
Diejenigen, die tapfer auf dem Schlachtfeld
sterben, kommen nach ihrem Tod zu Odin oder Freyja. Der Götterkönig sendet
Kampfjungfrauen aus, die auch Walküren ("die die Gefallenen küren")
genannt werden, um die gefallenen Helden zu sich holen zu lassen. Die
Walküren sind bewaffnet und können durch die Luft reiten. In Asgard teilen
Odin und Freyja den Kriegerhaufen unter sich auf. Die eine Hälfte kommt zu
Odin in die Valhall, die andere Hälfte zu Freyja nach Folkvang.
Die Einherjer sind viele, und es werden ständig mehr.
Über das Leben in
Folkvang wissen wir nicht viel, außer daß es dort den großen Saal Sessrymnir
gibt. Über das Dasein in der Walhalla aber gibt es viele Berichte. Es ist
der Festsaal einer riesigen Soldatenkaserne, wo sich die Helden den ganzen
Tag nach Lust und Laune schlagen dürfen, und es dabei spielt keine Rolle, ob
sie im Kampf Arme oder Beine verlieren, denn am Abend erheben sie sich
wieder unversehrt und im Besitz aller ihrer Glieder. Als Freunde und in
göttlichem Einvernehmen ziehen sie in den mächtigen Festsaal ein, wo schöne
Walküren ihnen Met einschenken und gekochtes Schwein servieren. Und auch das
Schwein selbst, das sie verzehren, ist ziemlich einmalig. Sährimnir
heißt es und wird jeden Tag geschlachtet und verspeist; am Abend jedoch ist
es wieder quicklebendig.
Am letzten Tag wird Odin die Asen und die toten
Helden, genannt Einherjer, in die letzte große Schlacht gegen die
Riesen und die Mächte der Finsternis führen. Er selbst wird dabei gegen den
Fenriswolf kämpfen, und die Bestie wird ihn verschlingen. So lautet die
Weissagung.
Quellenangaben:
- Norrøne Gude-
og Heltesagn von P.A. Munch
- Nordische Mythologie, herausgegeben von
Nytt fra Norge für das Hgl. Norwegische Außenministerium, Autor Tor Åge
Bringsværd